Die Diskussion über den Umgang mit Homosexuellen hat längst auch den Vatikan erreicht. In Priesterseminaren und Klöstern wird offen über Schwule in der katholischen Kirche gesprochen. Ein Tabu beginnt zu fallen.
Von ANDREAS ENGLISCH
Eine Sensation ereignet sich dieses Frühjahr im Vatikan. Der Kirchenstaat unternahm nichts, um sie zu verbergen: Marco Politi (51), einer der handverlesenen Journalisten, die die Ehre haben, den Papst in seinem Flugzeug begleiten zu dürfen, ihn mit dem Segen des Kirchenstaates interviewen und regelmäßig sprechen zu können, dieser Politi brachte ein Buch über die sexuellen Exzesse homosexueller katholischer Priester heraus. Das Buch erzählt hemmungslos sexuelle Eskapaden. In der Branche setzte niemand mehr einen Pfifferling auf die Karriere Politis. Doch das Unfassbare geschah: Der Vatikan bedankte sich für Politis Arbeit, der als Erster über ein Netzwerk von Selbsthilfegruppen homosexueller Priester berichtete.
Die katholische Kirche nähert sich auf der ganzen Welt langsam und vorsichtig einem Tabu-Thema: Homosexualität. Der Kirchenstaat wird gezwungen, nicht mehr wegzuschauen, immer mehr Priester an der Basis in den fünf Kontinenten wollen offen über Homosexualität reden, die Zeiten, als der Vatikan so tun konnte, als gäbe es das Thema nicht, sind vorbei.