Kühle Geschichten – Warme Geschichten

Gottesdienst vom 15. Juli 2007

Musik

Begrüssung (Urs)

Ich begrüsse Euch alle herzlich zum Juli-Gottesdienst der Lesbischen und Schwulen Basiskirche Basel.

Diesen Gottesdienst haben vorbereitet: Beat Poletti, er ist katholischer Seelsorger am Aidspfarramt und ich, mein Name ist Urs.

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen dessen,
der uns zur Gemeinschaft ruft,
der Gemeinschaft lebt,
der unsere Gemeinschaft stärkt.

 Eingangsgebet

Lass dich finden,
wenn wir dich suchen,
rede mit uns,
wenn wir dich fragen,
höre uns an,
wenn wir mit dir reden wollen,
suche uns,
wenn wir uns verstecken,
frage uns,
wenn wir antworten sollen,
heile uns
durch dein Wort.

Amen

Musik

 Einleitung

Kühle Geschichten – Warme Geschichten

Ich habe eine Geschichte aus dem Jugendbuch „Am I Blue“ „14 Stories von der anderen Liebe“ ausgesucht.

Es ist zwar eine Kurzgeschichte, aber zum Vorlesen immer noch zu lange. Deshalb erzähle ich Euch die Geschichten teilweise nach und lese nur einzelne Ausschnitte direkt vor.

 Am I Blue?

Bruce Coville

Der 16jährige Vincent ist von Butch Carrigan verprügelt und in eine Pfütze geworfen worden, weil er Butch angemacht haben soll.

Da steht plötzlich ein Mann vor ihm, stellt sich als Melvin, seine Patentunte vor. Vincent fühlt sich verarscht und es braucht von Melvin viel Überredungsgabe, ihn zu einem Gespräch zu führen.

„Okay, wenn es dich wirklich gibt“, sagte ich und nahm einen Schluck Kaffee „dann verrat mir doch mal, warum ich bis jetzt noch nie was von Patentunten gehört habe.“

„Weil ich die erste bin.“

„Könntest du das vielleicht näher erklären:“

„Natürlich. Wenn du den Löffel abgegeben hast, darfst du dir im Jenseits etwas aussuchen. Die Auswahl hängt von dem üblichen Kram ab – wie gut du gewesen bist und so weiter. Tja, für mich ging es nach oben statt nach unten, und es wurde ziemlich fest damit gerechnet, dass ich mich als Engel melden würde. Man wird da wie in Schulklassen eingeteilt, du weißt schon. Aber ich sagte, dass ich nicht irgendein x-beliebiger Schutzengel sein wollte, sondern eine gute Fee, eine Patentunte.“

Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und verdrehte die Augen. „Hach, Ich kann dir sagen, das war ein Heckmeck! Ich erklärte ihnen, dass die Leute mich mein ganzes Leben lang eine Tunte genannt hatten, und jetzt, wo ich tot war, wollte ich eine Patentunte sein. Und wenn sie mich keine Patentunte sein ließen, würde ich sie wegen Sexismus verklagen. Da haben sie nachgegeben. Und du bist mein erster Fall.“

„Hat das irgendetwas zu bedeuten?“ fragte ich nervös.

„Was meinst du?“

„Dass ich dein erster Fall bin. Heisst das, dass ich schwul bin?“

Ich erwähnte nicht, dass ich mich schon seit ungefähr einem Jahr mit genau dieser Frage herumschlug.

 Er sah aus, als ob er eine witzige Bemerkung machen wollte. Aber dann wurde sein Gesicht ernst. „Vielleicht bist du’s, vielleicht nicht. Auf jeden Fall hacken die Leute auf dir herum, weil sie denken, dass du es bist – deshalb wurde ich geschickt, um mit dir zu arbeiten. Und Schwulenklatscher sind sowieso ein ganz besonderes Thema für mich.“

„Warum?“

„Ich verdanke ihnen sozusagen, dass ich zu meinem Schöpfer zurückkehrte. Letztes Jahr ging ich eines Tages ganz in Gedanken versunken die Straße entlang, als mich drei Schläger in eine Seitenstraße schleiften und riefen: ‚Dir werden wir es zeigen, Schwuchtel!’ Sie haben nie erklärt, was genau sie mir zeigen wollten. Das Letzte, was ich vom Leben auf der Erde mitbekam, war ein Wagenheber direkt vor meiner Nase. Und dann klopfte ich auch schon an die Himmelstür.“

Im Laufe des Gesprächs bekommt Vincent den Homosensor ausgeliehen, der ihm erlaubt, Menschen nach dem Grad ihrer Homosexualität als blau eingefärbt zu sehen.

 „Schließ die Augen“, sagte Melvin.

Ich gehorchte und fühlte, wie er meine beiden Augenlider sanft berührte. Ich fragte mich, ob uns wohl jemand beobachtete, und mein Gesicht fing an zu brennen.

„Okay“, sagte er. „Mach die Augen auf, großer Junge, und schau dir an, wie die Welt wirklich ist.“

Ich öffnete die Augen und schnappte nach Luft.

Ungefähr ein Drittel der Leute in dem Café waren blau, unter anderem auch der Typ, dem Melvin vorhin zugezwinkert hatte. Einige waren hellblau und andere dunkelblau, ein paar schimmerten nur leicht bläulich.

„Soll das etwa heißen, dass diese Leute alle schwul sind?“ flüsterte ich.

„Mehr oder weniger.“

„Aber wie kommt es, dass es so viele sind?“

„Nun, dies hier ist kein normales Café“, erklärte Melvin. „Du hast ja selbst gesagt, dass hier viele Theaterleute rumhängen.“ Mit einer großzügigen Geste schloss er den ganzen Raum ein. „Solche Gruppen neigen offenbar zu einem höheren Prozentsatz an Schwulen weil wir doch von Natur aus so wahnsinnig künstlerisch sind.“ Er runzelte die Stirn. „Natürlich gibt es ein paar Idioten, die aus dieser Tatsache schließen, dass alle Theaterleute schwul sind. Aber vergiss nicht, zwei Drittel der Leute, die du hier siehst, sind nicht blau.“

„Und was ist mit den unterschiedlichen Farbstufen?“ fragte ich.

„Die zeigen den Grad des Schwulseins an. Die Dunkelblauen sind eingefleischte Schwestern, die Hellblauen dagegen nicht hundertprozentig – oder vielleicht auch wie du, noch unentschlossen. Ich habe es so eingestellt, dass jeder, der mindestens eine schwule Erfahrung hinter sich hat, wenigstens ein bisschen bläulich ist. Also los, lass uns etwas spazieren gehen.“

 Es war, als würde ich die Welt mit neuen Augen sehen. Die meisten Leute sahen natürlich aus wie immer. Aber Mr. Alwain, der fette Typ, dem der Lebensmittelladen gehört, sah aus wie eine riesige Blaubeere. Das überraschte mich, schließlich war er verheiratet und hatte drei Kinder. Miss Thorndyke dagegen, die Bibliothekarin, von der nun wirklich jeder wusste, dass sie lesbisch war, zeigte nicht mal einen Hauch von blau.

„Tja“, sagte Melvin, „nur das Blau sagt’s dir genau. Heteros sind da total aufgeschmissen. Sie denken immer aus völlig falschen Gründen, jemand ist es oder ist es nicht.“

 Langsam stellt sich wohl die Frage, was mit mir war, ob ich nun blau war oder nicht.

Die Antwort ist: ein wenig.

Als ich Melvin um eine Erklärung bat, sagte er: „Der große Meister Melvin spricht: ‹Die Zeichen sind nicht klar.› Mit anderen Worten, du bist ein verwirrtes Küken. So ist das eben manchmal. Früher oder später wirst du es schon rauskriegen.“

 Abends die Nachrichten im Fernsehen waren der nackte Wahnsinn. Mein Lieblingsnachrichtensprecher hatte ungefähr die Farbe eines Frühlingshimmels hellblau, aber eindeutig blau. Genauso wie der Kongressabgeordnete, den er interviewte, zufällig ein berüchtigter konservativer Schwulenhasser.

„Heuchler“, spuckte ich aus.

„Wie kommst du denn auf so was?“ fragte mein Vater.

„Och, nur so“, sagte ich, und versuchte herauszufinden, ob der kleine Stich ins Blaue auf seinen Gesichts­zügen mich erschreckte oder erleichterte.

Natürlich war nicht jeder blau, den ich sah. Die Bilanz sah ziemlich genau so aus, wie das Ergebnis von Untersuchungen zu dem Thema – ungefähr jeder zehnte war richtig blau, und jeder dritte oder vierte mit irgendeiner Abstufung.

Ich war begeistert, als ich in dem Bericht über das Football-Team, das als Favorit für die Superbowl gilt, drei blaue Sportler entdeckte.

 Aber dieser Kongressabgeordnete ging mir nicht aus dem Kopf. Ich konnte seine heuchlerischen Bemerkungen nicht vergessen, über ‚das schwere Verbrechen der Homosexualität’ und ‚die schwule Bedrohung für die amerikanische Jugend’. Während ich mir die Zähne putzte, kam mir eine Idee.

„Nein“, flüsterte ich und schaute mein bläuliches Gesicht im Spiegel an. „Das kann ich nicht machen.“

Unter anderem müsste ich mich dann nämlich auf noch mehr Prügel von Butch Carrigan einstellen.

Andrerseits würde, wenn ich es wagte, nichts mehr so sein wie vorher.

Ich spülte den Schaum von der Zahnpasta weg und flüsterte Melvins Namen.

„Zu Ihren Diensten!“ sagte er, und hinter mir wurde seine Gestalt deutlich.

„Ich will meinen zweiten Wunsch.“

„Und das wäre?“

„Großer schwuler Traum Nummer drei, landesweit.“ Er schaute mich kurz erstaunt an und begann zu lächeln. „Starten wir um Mitternacht?“ „Vierundzwanzig Stunden sollten ausreichen, denkst du nicht?“ antwortete ich.

Er rieb sich die Hände, gluckste und verschwand.

Ich ging ins Bett, aber schlafen konnte ich nicht. Ich dachte die ganze Zeit daran, was wohl dabei herauskommen würde, wenn der Rest der Welt sehen konnte, was ich schon heute gesehen hatte.

Ich schaltete das Radio ein und nahm mir vor, jede Stunde die Nachrichten zu hören. Ich hatte erwartet, dass um ein Uhr vielleicht zum ersten Mal etwas kommen würde. Aber es war ungefähr null Uhr dreißig, als die ersten Sondermeldungen von einem merkwürdigen Phänomen berichteten. Um ein Uhr war jede Radiostation, die ich empfangen konnte, im Alarmzustand. Dank der Wunder der modernen Kommunikation hatte es sich innerhalb von Minuten verbreitet, dass sich im ganzen Land Menschen blau färbten.

Es dauerte nicht lange, bis die Leute anfingen zu ver­stehen, was das Blau bedeutete. Die Reaktionen reichten von Panik und hysterischem Leugnen bis hin zu Freudenszenen auf den Straßen. Ein Sender trommelte eilig eine Expertenrunde zusammen, um zu diskutieren, was passieren würde, wenn die Leute am nächsten Tag zur Arbeit gehen mussten.

„Oder zur Schule“, murmelte ich. Was mich auf meine nächste Idee brachte.

„Melvin!“ rief ich.

„Sie haben geläutet:“ kam es sofort vorn Fußende meines Bettes.

„Ich habe mir gerade meinen dritten Wunsch überlegt“ Ich holte tief Luft. „Ich will, dass du Butch Carrigan blau werden lässt“

Er schaute mich einen Moment verwirrt an. Dann weiteten sich seine Augen. „Vincent“, sagte er, „ich mag deine Art zu denken. Bin gleich wieder da.“

Als er zurückkam, grinste er wie ein Honigkuchenpferd.

„Du hast immer noch einen Wunsch frei, Kindchen“, gluckste er. „Butch Carrigan war bereits blau wie der Sommerhimmel, als ich ankam.“

 Falls ich jemandem mit dem blauen Tag irgendwelchen Ärger gemacht haben sollte, tut es mir leid. Aber nicht allzu sehr. Denn nach diesem Tag werden die Dinge nie mehr so sein wie früher. Niemals.

 Und mein dritter Wunsch?

Ich habe beschlossen, ihn aufzuheben, bis ich ihn wirklich brauche – vielleicht, bis ich das Mädchen meiner Träume treffe.

Oder den Märchenprinzen.

Egal.

Musik

 Zeit der Stille

 Geschichte 2 (Beat) – eine wahrlich «heisse Geschichte»

Rabbi Schlomo reiste einmal mit einem seiner Schüler.Unterwegs kehrten sie in ein Wirtshaus ein, setzten sich an einen Tisch und der Rabbi bestellte MET warm; denn er trank gerne warmen Met. Währenddessen traten einige Soldaten ein und als sie die beiden Juden am Tisch sitzen sahen, schrien sie ,haut ab. «Ist der Met schon gewärmt worden? fragte der Rabbi zum Ausschank hinüber. Ergrimmt schlugen die Soldaten mit den Händen auf den Tisch und brüllten: Fort mit euch oder….! «Ist er noch nicht warm?» sagte der Rabbi. Der Führer der Soldaten zog die Waffe und hielt sie dem Rabi an den Kopf. «Allzu heiss darf er nämlich nicht werden«, sagte Rabbi Schlomo. Da zogen sie ab.

Musik (Beat)

 Brücke (Beat )

Beide Geschichten haben etwas mit Identität zu tun. Sei es, dass es um im wahrsten Sinne des Wortes Farbe bekennen geht oder selbst in Lebensgefahr sich nciht davon abbringen lassen, das zu tun oder zu sein, was jetzt eben gerade angesagt ist.

was können solche Geschichten in uns auslösen? Ich meine ein Zweifaches:

– wenn es uns gelingt, wirklich uns selber zu sein und darin zu bestehen, dann beruht unsere Identität nicht auf der Furcht der anderen. Wir glänzen in unserer Farbe

– wenn es uns gelingt, uns selber zu sein und uns darin behaupten können, dann können wir mit unserer Identität beitragen, dass Gewalt-Ausgrenzungs- und Teufelskreise ausser Kraft gesetzt werden.

Solches und Anderes kann gestärkt werden, wenn auch wir uns immer wieder stärken. So tun wir das heute in dieser Feier.

Wir beginnen mit dem Lied bei Nr 71 (laudate omnes gentes). Es begleitet uns durch die Agapefeier

Lied 71   (2x)

 Gebet

Wir suchen dich Gott, am Morgen jeden Tages,

und ich suche dich, mit dem Licht der heller werdenden Sonne

bis der Mittag kommt

So wollen wir dich sehen, in denen die neben uns sind, ob im Licht oder im Schatten des Abends. Nicht alles ist möglich, aber vieles wird wirklich für mich durch Jesus Christus. Amen.

Schriftwort Mt 10,26  

Fürchtet euch nicht vor den Menschen. Es gibt nichts Verhülltes, was nicht aufgedeckt werden wird und nichts Verborgenes, was nicht bekannt wird.

Zeit zum Nachdenken

Wir wollen nicht alles zerreden. Deshalb lade ich ein, über dieses

Schriftwort und über unsere Vorstellung von Identität nach Innen und

Aussen nachzudenken. Ich werde in die Stille schon mal das Wort wiederholen.

Stille

Lied     Laudate

 Versöhnung und Frieden

Wenn wir miteinander teilen, dann soll uns möglichst wenig daran hindern. Mit uns versöhnt und den Frieden nicht nur auf unseren Lippen sondern auch in unseren Herzen und Händen sprechen wir und zeigen wir (Gestus vorzeigen)

Fride wünsch ich dier
Fride wünsch ich mier
Friede mit uns allne
und de ganze Welt.

Speisegebet   (im Wechsel gesprochen)

 (Urs)Der nach menschlicher Gewohnheit
genannt wird mit dem eigenen Namen
als in lang vergangener Zeit
er geboren wurde, fern von hier

(Alle)Der auch Gottes Sohn genannt wird,
Heiland, Vision des Friedens
Licht der Welt, Weg zum leben
Lebensbrot und Weinstock

(Beat)Der zu leben sich entschied
für die Ärmsten der Armen
Helfer, Bruder, Gefährte
unter den unbedeutensten Menschen

(Alle) Der damals, als er
durch die Dörfer seines Landes ging,
Menschen anzog und beseelte,
sie versöhnte miteinander

(ALLE)Laudate omnes gentes

(Urs) Der nicht schroff und unnahbar
nicht ausgrenzend bezüglich Rasse
und Geschlecht lebte
der trotzdem im Stich gelassen wurde
und geschunden starb

(Alle) der verstreut ist im Acker
wie das kleine Samenkorn
der wie Ähren abgeerntet
wie Brot zu teilen ist

Unser Vater/Vater unser

der in seinem Gott geborgen
Friede uns geworden
der uns aus der Ferne zuwinkt
der uns aus der Nähe anschaut
wenn wir jetzt die Zeichen des Lebens,
Brot und Saft miteinander teilen

Urs und Beat teilen zuerst Brot und geben weiter
danach reichen wir je ein Becher weiter

Musik 

Bitten

Als Gestärkte, mit je unser eigenen Färbung und Identität wollen wir
unsere Bitten zu Gott sprechen

– ermutige Frauen und Männer,die Unterdrückung, Ausgrenzung und Etikettierung nicht hinnehmen wollen, gib ihnen Kraft, dass sie Unrecht und sexistisches Verhalten

beim Namen nennen, wo immer es sei.

-schenke uns den richtigen Umgang mit der Angst, damit wir in Zuwendung und Phantasie leben und lass uns dabei nicht mit schnellen Kompromissen zufrieden sein. Schenke uns Geduld und einen langen Atem.

– wir bitten um Mut, gerade in den einsamen Entscheidungen, beim Farbe bekennen

und etwas von Rabbi Schlomo.

Komm mit deiner Weite in unsere Enge, Gott, du Freundin der Menschen
komm mit deiner Erlaubnis in unsere Verbote,
komm mit deiner Liebe in unsere Angst
damit wir leben
damit alle leben
und du in uns

Amen.

Lied

Laudate omnes gentes

Segen mit Gestus   (linke Hand im Rücken NachbarIn/Rechte geöffnet und ausgestreckt)

Gottes Segen fliesse durch unsere Hände, hin zur und zum Nächsten
Lass uns auseinandergehen in der Gewissheit, dass es gut ist, so wie wir sind
In dieser Überzeugung segne uns die Güte Gottes, der Mut Jesu Christi und ihre Kraft der Hl. Geist. Amen.